Wenn ich heute im ÖV unterwegs bin, so sehe ich viele Personen jeder Generation mit dem Mobile oder Tablet in der Hand. Vielfach sind sie am Chatten. Ich vermute, dass diese Leute sich ein Leben ohne der täglichen, ja stündlichen Chats überhaupt nicht mehr vorstellen können.
Wie war das denn im Jahr 1968? In der Schweiz gab es höchstens ein Dutzend Grossrechner, die bei Banken und Versicherungen im Einsatz waren. Für Privatpersonen gab es überhaupt keine Computer. Die Wissenschaftler sind sich nicht ganz einig, wann der erste Personal-Computer gebaut worden ist.
Es werden 3 Modelle genannt:
Kenbak-1 von 1971
Xerox Alto von 1973
Altair 8800 von 1975
Wie bereits beim Bericht ‚Im Dialog mit dummen Terminals‚ beschrieben, programmierte ich im Jahr 1968 eine Dialog-Applikation für das IBM System 360. Dieses System ermöglichte das sogenannte Real Time Data Processing: Die Aussenstellen konnten über Telephonie- und Telegraphenleitungen direkt mit dem elektronischen Rechenzentrum verbunden werden.
Zu dieser Zeit wurde mir das erste Mal das ganz tolle Gefühl beschert, mit einer mir völlig fremden Person in England einen kleinen Smalltalk zu haben. Der Inhalt des Dialogs war sicher nicht viel anders als auch heute noch. „Wie heisst du und wie alt bist du? Wo wohnst du? Was arbeitest du?“ usw. Nur die Art und Weise, wie dieser Dialog zustande kam, war eindeutig ganz anders, als in der heutigen Zeit mit all den Messenger-Diensten, wo ein kleiner Klick zum Senden genügt. Aber um das zu erklären, muss ich ein wenig weiter ausholen.
Die Programmtests konnte ich jeweils nur samstags machen, denn während der Woche musste das System für die produktiven Arbeiten zur Verfügung stehen. Somit war ich auf mich alleine gestellt, denn auch Operator, Systemprogrammierer und andere Programmierkollegen hatten ja ihren freien Tag. Das bedeutete als erstes: Das System mal starten. Das war gar nicht so einfach; in einem Bericht des Computermuseums Stuttgart wird es so beschrieben: „Der Computer muss in einer bestimmten Reihenfolge eingeschaltet werden und verfügt unter anderem über ein Plattenlaufwerk mit tablettgroßen Speicherplatten, einen Lochkartenstanzer und -leser sowie einen Kettendrucker. Um Programme über Lochkarten zu laden, müssen zahlreiche Schritte im korrekten Ablauf befolgt werden, insgesamt ist die Nutzung der Anlage alles andere als trivial. Dazu kommt noch der Lärmpegel, den die Computer-Anlage verursacht. Alleine beim Gedanken daran, Tag für Tag in einem Raum mit einer derartig lauten Anlage zu sitzen, bekommen wir Kopfschmerzen. Heute schafft ein billiges Notebook ein Vielfaches der Rechenleistung der IBM-Anlage, mit minimalem Lärm und vor allem tendenziell weitaus einfacher zu erlernenden Programmen.“ Ich musste zusätzlich noch dafür sorgen, dass alle Verbindungen mit den Terminals der Aussenstellen korrekt waren.
Der Ablauf des Startens wurde aufgezeichnet auf einer IBM Kugelkopfschreibmaschine, die als Operatorkonsole mit Endlospapier eingerichtet war. Gespannt verfolgte ich die kurzen Angaben und tippte die entsprechenden Kommandos ein; selbstverständlich alles in Englisch. Da erschien plötzlich eine ganz ungewöhnliche Zeile in etwa diesem Wortlaut
"who has to work on a saturday and what do you make on our system".
Der Schreck war zunächst ziemlich gross, denn bis dahin wusste ich nicht, dass dieses System ausser mit ein par Terminals in der Umgebung von Zürich auch mit einer IBM-Niederlassung in England verbunden war. Bald aber kam Begeisterung auf, um mit dem jungen Programmierer in London, der – wie es sich herausstellte auch am Testen war – einen kleinen Wortwechsel über die Operatorkonsole zu machen. Vielleicht wäre der Chat nicht wirklich erlaubt gewesen, denn eigentlich sollte ich doch mein Programm so bald als möglich zum Laufen bringen. Aber Spass hatte ich schon und aufregend war es sowieso. Komischerweise liefen danach meine Tests viel besser und die Fehlersuche war auch schneller.
Ein Smalltalk auch mit einer unbekannten Person
kann recht aufregend sein.