Ohne „Glühlampe“ keine Lohnabrechnung

Einfach dumm, wenn keine Ersatzlampe vorhanden ist

Na Ja, das Wort „Glühlampe“ ist nicht ganz der richtige Ausdruck für dieses Objekt, das am grossen grauen Computer aufleuchtete. Aber für mich 20-jähriges Fräulein sah es einfach so aus.


Richtig gesagt waren es eine Reihe Röhren, die in unregelmässigem Takt an und ab gingen. Zum ersten Mal im meinem Leben stand ich vor einem Grossrechner. Es war ein sogenannter Röhrenrechner.

Röhrencomputer, auch als Computer der ersten Generation bezeichnet, wurden von den 1940er bis Anfang der 1960er Jahre gebaut und bestehen bei den zentralen Schaltelementen aus Elektronenröhren. Charakteristisch für diesen historischen Computertyp waren im Vergleich zu den folgenden Rechneranlagen die Grösse im Ausmass von einigen Metern bis zu einigen 10 m, ein hoher Leistungsbedarf im Bereich von einigen 10 kW aufwärts und eine latente Störanfälligkeit. Sie wurden auch als Röhrenrechner, Elektronenrechner oder veraltet als Elektronenhirn oder Elektronengehirn bezeichnet.

Noch mehr erstaunte mich der grosse Lärm, der im Maschinenraum herrschte. Nicht die Zentraleinheit des Computers war so laut sondern die Peripheriegeräte, die dazu gehörten. Es waren dies Sorter, Stanzer, Drucker und Tabelliermaschine. Mit dem Computer alleine konnte man nicht viel machen. Im Rechnen war er Spitze und vor allem sehr schnell – für die damalige Zeit! Allerdings beherrschte er nur die Addition. Aber was braucht es auch noch mehr. Eine Zahl mehrfach addiert ergibt eine Multiplikation, eine Subtraktion ist einfach das Addieren von negativen Zahlen; und die Division ist somit ein Kinderspiel: nämlich eine negative Zahl mehrfach subtrahieren. Das war das erste Gesetz, das ich zu Beginn meiner Informatiktätigkeit lernen musste. Dazu kam noch folgender wichtiger Lehrsatz: „Der Computer ist sehr dumm und kann nur die Befehle ausführen, die ein mehr oder weniger intelligenter Mensch füttert.“

Für das Erstellen einer Lohnabrechnung mit Hilfe des Röhrenrechners wurden folgende Schritte benötigt:

  1. Lochen der Eingabedaten, die auf den vom Kunden gelieferten Stempelkarten waren
  2. Sortieren der Karten nach Name / Nummer des Arbeitnehmers sowie Datum und Zeit
    (das waren mind. 10 bis 15 Durchläufe des ganzen Stapels)
  3. Einlesen des RPG-Programmes mit dem Kartenleser
  4. Einlesen der vorher sortierten Eingabekarten
  5. Errechnen der gewünschten Zahlen für die Lohnabrechnung jedes Arbeitnehmers
    (jede Rechenoperation liess dabei die Lampen auf leuchten)
  6. Stanzen der errechneten Zahlen, d.h. Ausgabe eines grossen Stapels Lochkarten
    (war zugleich sozusagen die Sicherungskopie dieser Lohnabrechnung)
  7. Einlesen obiger Lochkarten für die Tabelliermaschine
    (vorher musste die entsprechende Stecktafel mit Druckanweisungen eingesetzt werden)
  8. Startknopf für Drucken der Lohnabrechnung
    Kontrolle des Ausdrucks nicht vergessen)

siehe auch Beitrag ‚Eine App in der Grösse von 150 Bytes‘

Da konnte doch eines Tages tatsächlich eine Lohnabrechnung für einen Kunden nicht zu Ende erstellt werden. Der Techniker tigerte aufgeregt im Maschinenraum umher und wechselte im Sturmschritt in sein Büro. So wie ich mitbekam, suchte er eine Ersatzröhre für die Anlage. Leider hatte er keine passende an Lager und musste sie erst in Deutschland bestellen. Und da warteten einige Kunden am Ende des Monats auf ihre Lohnabrechnungen. Eigentlich waren es ja die armen Arbeitnehmer, die auf ihren Lohn warten mussten, denn ohne Abrechnung auf Papier keine Auszahlung von Geld.

Kluger Rat — Notvorrat
gilt nicht nur für den Privathaushalt